Prof. Dr. Wolfgang Scherf
Volkswirtschaftslehre und Öffentliche Finanzen

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Wolfgang Scherf

Ergebnisse des Länderfinanzausgleichs 2023

Finanzausgleichsverhandlungen (52574327017)

Auch 2023 war Bayern der größte Nettozahler im Länderfinanzausgleich. Durch Abschläge bei der Umsatzsteuerverteilung wurden 9,1 Mrd. Euro bzw. 682 Euro pro Einwohner an andere Bundesländer umverteilt. Die bayerische Verfassungsklage scheint durch diese Daten gestützt zu werden. Allerdings liegen die eigentlichen Probleme des Länderfinanzausgleichs nicht bei der Umsatzsteuerverteilung, sondern bei den Bundesergänzungszuweisungen.

Der Länderfinanzausgleich ist ein intransparentes System der Mittelverteilung zwischen den Bundesländern. Den Ausgangspunkt bildet die Steuerkraft der Länder. Sie basiert auf den Steuereinnahmen, die den Ländern nach dem örtlichen Aufkommen zufließen (Ländersteuern, Anteile an Einkommen- und Körperschaftsteuer). Hinzu kommen die Umsatzsteueranteile der Länder, die ihre Steuerkraft um denselben Pro-Kopf-Betrag erhöhen. Abbildung 1 zeigt die daraus resultierende Steuerkraft vor Finanzausgleich in Euro pro Einwohner.

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Berechnungen auf Basis der BMF-Daten 2023. Info: Ländercodes. © 2024 Scherf

Die großen Unterschiede in der Ländersteuerkraft gehen auf die Steuern nach dem Aufkommen zurück. Vor diesem Hintergrund erfolgt ein umfassender Finanzkraftausgleich unter den Ländern. Hierfür werden drei Instrumente eingesetzt: (1) Zuschläge und Abschläge bei der Umsatzsteuer, (2) allgemeine Bundesergänzungszuweisungen und (3) Bundesergänzungszuweisungen für unterproportionale Gemeindesteuerkraft.

Im Gesamtergebnis zeigen die Einnahmen nach Finanzkraftausgleich allerdings keine gleichmäßige Annäherung der Finanzkraft der relativ armen und reichen Bundesländer. Die Rangfolge der Länder bleibt nicht einmal erhalten, sondern wird komplett durcheinandergewürfelt. Zum Beispiel rutscht Bayern von Platz 2 auf Platz 10, während sich Berlin umgekehrt von Platz 5 auf Platz 1 verbessert. Im Finanzausgleich verliert Bayern 682 Euro pro Einwohner, während Berlin 1.469 Euro gewinnt. Danach übertreffen die Berliner Einnahmen pro Einwohner mit 5.872 Euro die bayerischen Einnahmen von 4.256 Euro um 38 Prozent.

Die unsystematisch wirkende Umverteilung ist nach den Maßstäben des Finanzausgleichsgesetzes in Ordnung. Der Finanzkraftausgleich orientiert sich nicht an der relativen Pro-Kopf-Steuerkraft der Länder, sondern am Verhältnis zwischen Finanzkraft- und Ausgleichsmesszahl. Die Finanzkraftmesszahl (FMZ) umfasst neben der Steuerkraft der Länder auch 75 Prozent der Steuerkraft der Gemeinden. Die Ausgleichsmesszahl (AMZ) entspricht im Prinzip der durchschnittlichen Finanzkraftmesszahl pro Kopf, basiert aber nicht auf tatsächlichen, sondern auf gewichteten Einwohnern.

Die erheblichen Finanzkraftzuwächse der ostdeutschen Bundesländer in Abbildung 1 sind insofern nicht überraschend, denn sie basieren auf der geringen Steuerkraft dieser Länder und ihrer Gemeinden. Dagegen profitieren die Stadtstaaten primär von der Gewichtung ihrer Einwohner mit 135 Prozent. Dadurch reduziert sich ihre relative Pro-Kopf-Finanzkraft (FMZ/AMZ) enorm, was die hohen Finanzausgleichsgewinne von Bremen und Berlin und die geringe Belastung von Hamburg erklärt.

Abbildung 2 illustriert den Finanzkraftausgleich (FKA) anhand der Normen des Finanzausgleichsgesetzes. Die Länder werden hier nach dem Verhältnis zwischen Finanzkraftmesszahl und Ausgleichsmesszahl geordnet. Infolge der Stadtstaatenwertung ist Bremen nun das ärmste Bundesland. Auch Berlin und Hamburg rutschen in der Finanzkraftrangfolge deutlich nach hinten.

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Berechnungen auf Basis der BMF-Daten 2023. Info: Ländercodes. © 2024 Scherf

Der Finanzkraftausgleich bewirkt eine starke Nivellierung der relativen Finanzkraftpositionen. Die Zuschläge und Abschläge bei der Umsatzsteuer kompensieren die AMZ-FMZ-Differenzen zu 63 Prozent. Die verbleibenden Finanzkraftlücken werden durch allgemeine Bundesergänzungszuweisungen (a BEZ) mit einem Ausgleichssatz von 80 Prozent nahezu vollständig geschlossen.

Aus ökonomischer Sicht ist der bis dahin erreichte Nivellierungsgrad zwar weit überzogen, aber die Finanzkraftrangfolge der Länder hat sich noch nicht verschoben. Das ändert sich durch die Bundesergänzungszuweisungen für unterproportionale Gemeindesteuerkraft. Für diese Zuweisungen ist kein systematischer Grund ersichtlich, denn die Gemeindesteuerkraft wird bereits in der Finanzkraftmesszahl berücksichtigt. Die Extrazuweisungen verzerren vielmehr den Finanzkraftausgleich und erzeugen Übernivellierungseffekte.

Abbildung 2 zeigt, dass die Empfänger der Gemeindesteuerkraftzuweisungen (g BEZ) Länder überholen, die zuvor in der Finanzkraftrangfolge vor ihnen liegen. Selbst innerhalb der Empfängergruppe treten Rangfolgeverschiebungen ein. Die fünf ostdeutschen Empfängerländer erreichen nach Finanzausgleich sogar eine FMZ-AMZ-Relation über 100 Prozent, was auf eine unberechtigte Überkompensation ihrer Finanzkraftlücken hinausläuft.

Im Ergebnis verletzen die Gemeindesteuerkraftzuweisungen das verfassungsrechtliche Übernivellierungsverbot. Ihre zügige Abschaffung erscheint mithin ökonomisch wie auch verfassungsrechtlich geboten. Der Bund könnte den Verlust der Länder im Rahmen der Umsatzsteuerverteilung kompensieren und damit eine sinnvolle kleine Reform des Länderfinanzausgleichs unterstützen.


29.01.2024 © Wolfgang Scherf


Der Beitrag ist auch erschienen auf Wirtschaftliche Freiheit
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